Vortrag zum 3. Kongress
der Deutschen Gesellschaft für Musiktheorie 10.10.-12.10.2003 in Basel
Gehörbildung[1] und Musikpsychologie[2] sind heute Hochschulfächer, die auf sehr unterschiedliche Traditionen zurückgehen.
Die Unterrichtsinhalte der heutigen Gehörbildung wurden seit Guido von ARREZO[3] zunächst als Bestandteil der Gesangsausbildung angesehen und erhielten als "Notierungskunst"[4] eine Prägung durch die Tonsatz-Literatur. Seit 1889 verstand man unter Gehörbildung überwiegend die Methode des Musikdiktates, welches Hugo RIEMANN aus Frankreich übernommen hatte. Ab 1956 erweiterte S. BORRIS die Disziplin zu einer ganzheitlichen Hörerziehung[5] , die die didaktisch eng gefassten älteren Methoden zu einer Wahrnehmungslehre von vollständigen Musikwerken erweiterte. Obwohl gelegentlich zwischen beiden Begriffen unterschieden wird, hat sich der Begriff Gehörbildung als Oberbegriff durchgesetzt, ist der Musiktheorie zugeordnet, und versteht sich als musikpädagogisches Fach.
Demgegenüber steht das Forschungsgebiet der Musikpsychologie in der Tradition der von pädagogischen Zwängen unabhängigen modernen Wissenschaft, die Theorien aufstellt, die intersubjektiv nachprüfbar sein müssen.[6]
Nach BRUHN, OERTER & RÖSING[7] ist es die Aufgabe der Musikpsychologie, "die universellen Gesetzlichkeiten beim Musikhören und Musikmachen zu erforschen". Musikpsychologie steht dabei im Schnittpunkt verschiedener Disziplinen, deren Interesse sich einerseits auf das wahrgenommene und erzeugte Phänomen Musik, andererseits auf den wahrnehmenden und musizierenden Menschen richten. Dazu bietet die Musikpsychologie verschiedene Theorien an.
Auch der Gehörbildungsunterricht wird ohne eine (mehr oder weniger reflektierte) Lern- und Hörtheorie nicht auskommen. Das oben genannte Selbstverständnis der Musikpsychologie, sich zunächst mit den "universellen Gesetzlichkeiten beim Musikhören ..." zu beschäftigen, ist ebenso eine zentrale Fragestellung der Gehörbildung, die dann auch noch vor der Aufgabe steht, didaktische und methodische Konsequenzen aus den Erkenntnissen zu ziehen. Ein Brückenschlag zur musikpsychologischen Forschung fand bisher kaum statt. Welcher Art diese Lern- und Hörtheorien und deren hochschulpädagogische Konsequenzen im Bereich der Gehörbildung sein können, möchte ich an zehn Beispielen aufzeigen:
1. Monika QUISTORP berichtet von der Auffassung vieler Kollegen, dass es musikalische und unmusikalische Menschen gebe. Gehörbildungsunterricht richte sich ausschließlich an musikalische Menschen. Wer eine Quinte nicht von einer Terz unterscheiden kann, dem sei nicht zu helfen.[8]
2. Demgegenüber ist H. GEMBRIS der Auffassung, dass die Trennung in musikalische und unmusikalische Menschen als überholt gelten muss, denn es gäbe unterschiedliche Formen von Musikalität.[9] Gehörbildungsunterricht müsse deshalb eine differenzierte Diagnostik, Methodik und Didaktik anbieten.
3. Nicht nur die im Internet angebotenen Softwareprogramme für Gehörbildung, sondern auch die vielerorts existierende Unterrichts- und Prüfungspraxis einschließlich einiger im Handel erhältlicher Lehrwerke gehen davon aus, dass ein Lernfortschritt in Gehörbildung ausschließlich durch das Gehörtraining von Einzelintervallen, Einzelakkorden u. ä. zu erreichen sei. Das Zusammensetzen zu einer größeren musikalischen Gestalt oder sogar zu einem Werk ist nicht Bestandteil des pädagogischen Konzeptes. [10] .
4. Gelegentlich werden auch grundsätzliche Zweifel an einem methodischen Vorgehen in Gehörbildung geäußert, denn das Gehirn lerne diese Fähigkeiten ebenso wie die eigene Muttersprache unsystematisch.[11]
5. Unsicherheit herrscht auch bei der Frage, was unter einer "tonal nicht gebundenen Musik" zu verstehen sei. MACKAMUL behauptet, dass dieses Hören über die sichere Beherrschung der Intervalle gelernt wird. Das führt bei ihm zu der Bezeichnung "intervallisches Hören", mit dem "tonal nicht gebundene Musik" geübt werden soll. Damit steht er in Widerspruch z.B. zu Arnold Schönberg, für den ein "intervallisches Hören" immer ein tonal gebundenes Hören ist. [12] .
6. Bestimmte Lehrmethoden gehen davon aus, dass es Sinn macht, die Parameter Tonhöhe und Rhythmus bei der Erarbeitung von Einstimmigkeit zu trennen. Demgegenüber steht die Auffassung, dass eine Melodie grundsätzlich immer ganzheitlich zugleich mit Tonhöhe und ihrem zeitlichen Aspekt erfasst werden muss.[13]
7. In den ältern Unterrichtswerken wird die Funktion des Gedächtnisses nicht gesondert als Lerninhalt behandelt, bzw. die Lehrwerke sind so konzipiert, dass der vielfältige Umgang mit dem Gedächtnis nicht trainiert wird, bzw. für das Lösen der Aufgaben kaum eine Rolle spielt. Anscheinend betrachtete man die Ausbildung dieser Fähigkeit für den Gehörbildungsunterricht als unterrichtsfremd[14] .
8. Fast alle Unterrichtswerke gehen davon aus, dass der Gehörbildungsunterricht nicht ohne einschlägige Gesangsübungen auskommt. Aber es gibt gelegentlich auch die Lehrmeinung dass das Singen im Zusammenhang mit Gehörbildung überflüssig sei.
9. Auch die Lehrmeinung, dass es gefährlich sei, den Musikstudenten allzu viel Neue Musik vorzuspielen, denn dann verlernten sie das tonale Hören, wird gelegentlich geäußert.
10. Auf der einen Seite gibt es die Auffassung RIEMANNs, dass unser Hörorgan sei "so geartet, dass ihm die absolut reinen Intonationen gar nicht Bedürfnissache sind." Anderseits wird nicht nur in Lehrwerken, Soft- und Hardware Intonationsgenauigkeit geübt [15]
Diese teils wohlbegründeten, aber mitunter auch gewagten Arbeitshypothesen werden vielerorts als Axiome der Gehörbildung betrachtet. (Ich wage zu behaupten, dass dies nur ein kleiner Ausschnitt der in der Unterrichtspraxis der Gehörbildung zu Grunde gelegten Prämissen ist.)
Manfred SPITZER[16] formuliert das Problem folgendermaßen: "Es ist an der Zeit, dass wir unsere Methoden des Lernens und der Erziehung nicht nach veralteten, unbegründeten dogmatischen Theorien ausrichten, sondern danach, was man über den Menschen im Hinblick auf Lernen und Gedächtnis tatsächlich weiß!"
Im 19. Jahrhundert ist eine Bemühung mancher Musiktheoretiker bzw. Gehörbildungstheoretiker festzustellen, eine Brücke zur neu entstandenen Disziplin Musikpsychologie (vormals "Tonpsychologie"[17] ) zu schlagen. So setzt sich Hugo RIEMANN in seinen grundlegenden Arbeiten[18] mit den Thesen von Carl Stumpf und Ernst Kurth u.ä. auseinander.
Heute ist in den Standardwerken der Gehörbildungsliteratur (Mackamul, Quistorp, Edlund, Zilkens, Kaiser) diese Bezugnahme zu den Forschungsergebnissen der Musikpsychologie verloren gegangen. Eine möglicherweise bestehende Skepsis mag darauf zurückzuführen sein, dass sich die Musikpsychologie häufig der experimentellen Psychologie in der Sterilität ihrer Laboruntersuchungen widmete und in vielen Fällen durch Konzentration auf die Grundlagenforschung der Bezug zur pädagogischen Praxis nicht gegeben war.
Trotzdem können etwa sechs Forschungsbereiche innerhalb der Musikpsychologie benannt werden, die auch für die pädagogische Praxis der Gehörbildung eine Relevanz besitzen.
Carl STUMPF benutzte den Begriff "Tonverschmelzung" zur Erklärung des Konsonanzprinzips. Für die Gehörbildung kann diese Erkenntnis z.B. für die gelegentlich benutzte Aufgabenstellung wichtig sein, die Anzahl der Töne eines Akkordes oder Mittelstimmen eines Satzes in enger Lage zu bestimmen. Sofern der Verschmelzungsgrad sehr hoch ist, stellt sich die Frage, ob eine derartige Aufgabenstellung sinnvoll ist.
Nach den Theorien der Gestaltpsychologie von Christian VON EHRENFELS darf der Ausgangspunkt der Forschung nicht das Einzelelement sein, sondern immer die Gestalt. Folgt man dieser heute allgemein anerkannten Theorie, so wäre der in der Gehörbildung oft praktizierte Weg, mit dem Einzelintervall oder dem Einzelakkord zu beginnen und dann die Einzelelemente zu vollständigen Gestalten zusammenzusetzen, ein zweifelhafter Ausgangspunkt.
Von der Gestalttheorie beeinflusst ist auch der Berner Musikwissenschaftler Ernst KURTH, der ein bedeutendes Werk über Musikpsychologie veröffentlichte. Die Wesensqualitäten von Musik sieht er darin im "stetigen Ineinanderwirken kinetischer und potentieller Energie."[19] . Aus dieser Theorie lässt sich erklären, warum z.B. in der Mehrstimmigkeit oft bestimmte Stimmen nicht identifiziert werden. Offensichtlich muss man auf die geringe melodische Energie dieser Einzelstimmen hinweisen und erklären, dass die Ursachen der selektiven Wahrnehmung in erster Linie nicht in der geringen musikalischen Begabung der Rezipienten, sondern in der kompositorischen Struktur zu suchen sind.
Die musikalische Wahrnehmung wird seit etwa 25 Jahren im Rahmen der kognitiven Musikpsychologie[20] erforscht. Nach dem aktuellen Forschungsstand geht man davon aus, dass beim Wahrnehmungsvorgang die Gedächtnisinhalte im Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis gespeichert werden. Sie werden als Repräsentationen bezeichnet. Beim musikalischen Wissen handelt es sich entweder um implizite, nicht notwendigerweise sprachlich zu formulierende Gedächtnisinhalte, die als figurale Repräsentationen des Langzeitgedächtnisses bezeichnet werden oder das musikalische Wissen liegt in verbalisierbarer Form vor, in "bedeutungsmäßiger Repräsentation".
Verschiedene Faktoren spielen bei dem Verarbeitungsprozess eine entscheidende Rolle:
1. Die grundsätzliche und aktuelle persönliche Disposition des Rezipienten - dies beinhaltet in der speziellen Lernsituation des Hochschulfaches auch die durch Leistungsdruck entstehenden psychischen Probleme - und ebenso seiner Erwartungshaltungen,
2. die Beschaffenheit des akustischen Ereignisses inklusive zeitlicher, rhythmischer und dynamischer Aspekte. Die musikalische Struktur führt zu einer Reihe von wahrnehmungs- und gestaltpsychologischen Grundkonstellationen[21] ,
3. die Abhängigkeit von der begrenzten Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses[22] , dessen Apperzeptionsgrenze[23] informationstheoretisch beschrieben werden kann. Sie bildet den Hauptfilter der Rezeption,
4. die wahrnehmungspsychologische Tatsache, dass bei Überschreitung der memorierbaren Informationskapazität während der Rezeption bestimmte kaum zu beeinflussende Mechanismen in Gang gesetzt werden: Der Wahrnehmungsinhalt wird entweder in Teilen selektiv ausgesondert oder es erfolgt eine informationsreduzierende Gruppenbildung der Einzelelemente ("chunking"[24] ). Dann wird nach hierarchischen Prinzipien in relevante und weniger relevante Informationen klassifiziert und schließlich treten die auf diese Art modifizierten eingehenden Informationen mit den kategorialen Repräsentationen im Langzeitgedächtnis in Beziehung. Obwohl die dort gespeicherten Repräsentationen grundsätzlich innerhalb eines Lernprozesses veränderbar sind, wird zunächst eine Integration der neuen Wahrnehmungsinhalte versucht - bei akustischen Informationen notfalls durch das nachgewiesene "Zurechthören". Dieser Mechanismus führt zu der absurden und bedenkenswerten Situation, dass wir die "physikalischen Tatsachen" gar nicht wahrnehmen, sondern nur das, was wir für solche halten.
5. Die kategorialen Repräsentationen organisieren sich in Schemata oder Prototypen. Auch Schemata haben häufig hierarchische Strukturen. Musikalische Prototypen sind idealtypische Verlaufsfiguren melodischer, harmonischer, rhythmischer oder formaler Art. Deshalb ist der Wahrnehmungsvorgang in aller erster Linie kein informationaufnehmender sondern vor allem ein informationsschaffender Prozess. Dabei können die musikalischen Schemata und Prototypen - wie ABE & HOSHINO zeigen - z.B. bei japanischen und westlich orientierten Musikexperten durchaus sehr unterschiedlich strukturiert sein.[25]
In dem Aufsatz[26] des oft missverstandenen Hugo RIEMANN über die "Ideen zu einer 'Lehre von den Tonvorstellungen'" nimmt er mit seiner Theorie zu den "logischen Funktionen des menschlichen Geistes", heute bekannt unter dem Begriff "Funktionstheorie", alle grundlegenden Prinzipien der Kognitiven Musikpsychologie vorweg. Deshalb muss seine Funktionstheorie nicht der deskriptiven Musiktheorie, deren Forschungsgegenstand das schriftlich fixierte Werk[27] ist, sondern der Kognitiven Musikpsychologie zuordnet werden, die sich mit Wahrnehmungsfragen beschäftigt.[28]
Im genannten Aufsatz schreibt er: "Daß das Musikhören nicht nur ein passives Erleiden von Schallwirkungen im Hörorgan sondern vielmehr eine hochgradig entwickelte Betätigung von logischen Funktionen des menschlichen Geistes ist, zieht sich als leitender Gedanke durch meine sämtlichen musiktheoretischen und musikästhetischen Arbeiten seit meiner Dissertation."[29] In seinen musiktheoretischen Arbeiten will er "zu ergründen versuchen, welche Kategorien die lebendig arbeitende Tonphantasie leiten und bestimmen, ihr Gesetze geben."[30]
Aus der Fülle der vorliegenden experimentellen Untersuchungen[31] zu Aspekten des musikalischen Hörens sei zunächst eine umfangreiche Arbeit von Wolfgang AUHAGEN herausgehoben. Er untersucht unter der Perspektive der Kognitiven Musikpsychologie experimentell die auditive Tonalitätsbestimmung in Melodien[32] . Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass sich das melodische Hören nicht hauptsächlich am physikalisch dargebotenen gesamten Tonvorrat noch an Einzelintervallen, sondern an charakteristischen kurzen Melodiewendungen[33] orientiert. Auhagen vergleicht dies mit den in den frühen mittelalterlichen Musiktraktaten geäußerten Tonalitätsauffassungen. Sein Forschungsansatz kann als richtungweisend angesehen werden, denn er berücksichtigt neben den psychologischen Experimenten auch die musikgeschichtlichen Fakten und die Aussagen der Musiktheoretiker. Auhagen weist auch nach, dass es keinen Sinn macht, Diastematik und zeitliche Gestaltung voneinander zu trennen, da eine zeitliche Gruppierung durch die kognitiven Mechanismen automatisch durchführt wird.
Ebenfalls kann man aus seinen Erkenntnissen schließen, dass die These, es müsse in der Gehörbildung grundsätzlich zwischen dur-molltonalem und intervallischem Hören unterschieden werden, falsch ist, denn auch bei den vielfältigsten Möglichkeiten der nicht dur-molltonalen Musik werden Schemata gebildet, die das Bestreben haben, mehr als zwei Einzeltöne zu Einheiten zusammenzufassen.
Dass sich das Hören auch in harmonischer Hinsicht nicht an Einzelakkorden, sondern an Relationen von mehreren Akkorden orientiert, weist BRUHN in einer ebenso umfangreichen Untersuchung[34] experimentell nach: Das Erkennen von akkordischen "Beziehungen, bzw. das Unterscheidungsvermögen für Relationen ist für den Menschen bedeutsamer als das Erkennen physikalischer Unterschiede "von einzeln dargebotenen Akkorden. Deshalb ist die auch Auffassung, das Erlernen von Einzelakkorden sei ein sinnvoller Ausgangspunkt für das Erfassen harmonischer Strukturen mit den Erkenntnissen der kognitiven Musikpsychologie nicht zu vereinbaren. Die Gehörbildung muss demzufolge in melodischer und harmonischer Hinsicht mit kurzen, musikalisch sinnvollen Gestalten oder Schemata beginnen, die jenseits des Einzelelements liegen.
Bezüglich der Erforschung der musikalischen Begabung, der Audiation und der Lerntheorie sei auf die umfangreichen Arbeiten von Edwin E. GORDON[35] und Heiner GEMBRIS[36] verwiesen. Die Fragen zur Musikalität und zum Testen von musikalischen Hörfähigkeiten sind demzufolge wesentlich differenzierter zu betrachten als dies immer wieder in der Unterrichts- und Prüfungspraxis der Musikhochschulen geschieht.
Robert JOUDAIN, Wilfried GRUHN und eine Reihe weiterer Autoren[37] haben außerdem auf spannende neue Methoden der Hirnforschung, insbesondere der Neurobiologie hingewiesen, die eine Revolution des pädagogischen Denkens bewirken könnten, denn die neurobiologischen Lernprozesse verlaufen tatsächlich wesentlich unsystematischer als es die systematisch arbeitenden Pädagogen vermuten.
Zur Erforschung des musikalischen Hörens gehört es auch, Hörertypologien durch historische, philosophische, soziologische oder empirische Untersuchungen wissenschaftlich zu untersuchen[38] . Die in einigen Arbeiten[39] formulierten Typologien können allerdings nicht uneingeschränkt aufrecht erhalten werden. So schreibt Helga de la Motte-Haber im Vorwort zur Dissertation von Christa NAUCK-BÖRNER[40] : "Keine der bisher für das Musikhören entwickelten Typologien hält den Grundsätzen der wissenschaftlichen Begriffsbildung stand."
Nach dem eingangs zitierten Selbstverständnis der Musikpsychologie wäre der Untersuchungsgegenstand nicht nur der Verarbeitungsprozess der Rezipienten, sondern auch das Phänomen der Musik selbst. So wäre es zu wünschen, dass im Fach Gehörbildung über Bücher wie das von Carl DAHLHAUS und Hans Heinrich EGGEBRECHT "Was ist Musik?" diskutiert würde. Da dies zu selten geschieht, stellen heute namhafte Musikpsychologen zu Recht kritische Fragen an das Musikverständnis der klassischen Gehörbildung. So schreibt Herbert BRUHN: "Wenn man sich klar macht, was das Ziel einer Gehörbildung ist, wird einem deutlich, dass man sich mit einer 2 % Gruppe der Bevölkerung der westlichen Industrienationen beschäftigt."[41]
So muss es das Ziel unserer weiteren Arbeit sein, die Lern- und Hörtheorien und die Musikdefinitionen, die unser pädagogisches Handeln im Fach Gehörbildung/Hörerziehung, leiten, zu benennen und uns mit diesen den kritischen Fragen der Musikpsychologen zu stellen. So wird sich zeigen, ob es langfristig gelingt, befriedigende Aussagen über Teilaspekte des musikalischen Hörens zu formulieren.
Zuletzt sollten wir einen ganz anderen Aspekt nicht aus den Augen verlieren. Der Psychoakustiker ZWICKER formuliert, dass "das Studium des menschlichen Gehörs und seiner Eigenschaften dazu dienen [soll], sich im Wundern zu üben"[42] . Ich bin davon überzeugt, dass es eine Bereichung wäre, wenn wir sowohl den wissenschaftlich Aspekt als auch den nichtwissenschaftlichen Anteil intensiver ins Blickfeld bzw. Hörfeld nehmen und so "Musik in ihrer ganzen Vielfalt"[43] in ihren unterschiedlichen Rezeptionsarten zum Gegenstand des Unterrichts machen.
[1] D. Stoverock, Gehörbildung, Geschichte und Methode, Heidelberg 1964, Wilhelmshaven 1978 |
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[2] H. Bruhn/R.Oerter/H.Rösing, Musikpsychologie, Hamburg 1993 |
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[3] Guido von Arezzo, epistola de ignotu cantu in: M. Gerbert, scriptores... St. Blasien 1784, II,43 bzw. Migne Patrologia latina CXLI |
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[4] Das achte Capitel des Ersten Theils des Standardwerkes "Der vollkommene Kapellmeister, 1739" von J. Mattheson trägt den Titel "Von der Kunst die Melodien aufzuschreiben." Ausführlich wird auf den Sinn der Notierungsübungen und die Schwierigkeiten bestimmter Notierungen eingegangen. |
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[5] . A.J.A. Lavignac, Cours complet
theoretique et practique de dictèe musicale, A. Holländer, Das Musikdikat, Leipzig 1913; E. Krause, Übungen zum Selbststudium des Musikdiktats und für den Klassenunterricht in Konservatorien und Seminaren, op. 120, Hamburg 1914; N. Gallon, Cent Dictèes Musicales progressives a deux parties, Paris 1924 ; S. Borris, Ganzheitliche Hörerziehung, in: Musik im Unterricht (A) 47, 1956, S. 276 ff.; 233. S. Borris, Methodischer Aufbau einer ganzheitlichen Hörerziehung, in: Musik im Unterricht (A) 47, 1956, S. 282 ff. s.a. R. Mackamul, Lehrbuch der Gehörbildung, Bd. 1+2 Kassel 1969. Nach den Definitionen der Neuauflage des MGG (1994) schließt der Begriff Gehörbildung die Höranalyse und die Hörerziehung mit ein. Historisch zutreffender ist es, zwischen Gehörbildung als der älteren Disziplin, die sich mit musikalischen Grundelementen beschäftigt und Hörerziehung als einer auf komplexe Inhalte gerichteten jüngeren Disziplin zu unterscheiden. Eine Unterscheidung ist vor allem deshalb sinnvoill, weil die Methoden dieser Disziplinen sich grundlegend unterscheiden. [5] Karl R. Popper, Logik der Forschung, 6. Auflage, Tübingen 1976 |
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[8] Monika Quistorp, Die Gehörbildung - Das Kernfach der musikalischen Erziehung, Wiesbaden 1970 |
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[9] H. Gembris, Grundlagen musikalischer Begabung und Entwicklung, Augsburg 2002 2. Auflage, (1. Auflage 1998) |
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[10] C. Marinovici, Gehörbildung - aber wie? Nicht rechnen, sondern hören! Ein zielorientierter Lehrgang mit CD 1997 |
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[11] Dies ist eine gelegentlich anzutreffende Unterrichtspraxis an Musikhochschulen, z.T. unter Berufung auf W. Gruhn, Der Musikverstand, Hildesheim u.a. 1998 |
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[12] R. Mackamul, Lehrbuch der Gehörbildung, Bd.1, Kassel 1969, S. 11. Schönberg empfand den Ausdruck "atonal" als "höchst unglücklich" (so ist es dem Nachlass zu entnehmen, zitiert nach der rororo-Biografie S. 51) . Schönberg schreibt 1921 ":...ich bin ein Musiker und habe mit Atonalem nichts zu tun. Atonal könnte nur bezeichnen: etwas, was dem Wesen des Tons durchaus nicht entspricht... Ein Musikstück wird stets mindestens insoweit tonal sein müssen, als von Ton zu Ton eine Beziehung bestehen muß, vermöge welcher die Töne, neben- oder übereinandergesetzt, eine als solche auffassbare Folge ergeben." (Harmonielehre, 3. Auflage. S. 486). Er schlug für die Tonaliät der Zwölftonreihe den Begriff Polytonalität oder Pantonalität vor. (a.a.O., S. 487). Diese Sichtweise äußert er auch in einem andern Text , in dem er erläutert, dass jeder Ton eine (tonale) Bedeutung hat, die sich durch Hinzufügung eines zweiten Tones ändern kann ("Stil und Gedanke", Ausgabe Fischer-TB 1976, S. 51, Schönbergs Fassung dieses textes stammt aus dem Jahr 1946!!). So spricht er auch von der "Methode der zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen". D.h. der tonale Bezug ist - wenn auch "nur" von Ton zu Ton - immer noch da! |
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[13] Monika Quistorp a.a.O. |
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[14] z.B. in den Musikdiktat-Lehrbüchern mit sehr kurzen Diktiersequenzen: Bernhard Sekles , Musikdiktat Mainz 1901 oder vielen entsprechenden Lehrwerken der französischen Literatur : N. Gallon, Cent Dictèes Musicales progressives a deux parties, Paris 1924 ; G. Dandelot, Cent Dictées Musicales a deux voix, Paris 1930 |
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[15] Ideen zu einer "Lehre von den Tonvorstellungen", in: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters, XXI,1914 - XXII,1915 (s.a. in: B.Dopheide, Musikhören, Darmstadt 1975, S.14) S. 36; D. Geller, Praktische Intonationslehre für Instrumentalisten und Sänger (Buch/CD), Kassel u.a. 1997; D. Geller, INTON, Das Traningsprogramm zum Intonations-, Stimmungs- und Fehlerhören mit Hardware INTONAT, Heucke-Gareis-Electronics, Lampertheim o.J. |
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[16] Manfred Spitzer, Geist im Netz. Modelle für Lernen, Denken und Handeln, Heidelberg 1996 S. 203
[17] Die terminologische Vielfalt der Grundbegriffe muss historisch und inhaltlich verstanden werden. Die psychologische Akustik oder Psychoakustik ist auf die im Bewusstsein auftretenden Gehörerscheinungen und deren Auffassung und Ordnung gerichtet. Carl Stumpf hatte 1883 für diese Wissenschaft die Bezeichnung Tonpsychologie geprägt. Dieser Name ist gefärbt vom Selbstverständnis der damaligen Psychologie, die ihre Aufgabe darin sah, die Phänomene des Bewusstseins in ihre elementaren Bestandteile zu zerlegen und Gesetze ihrer Verknüpfung (Assoziation) zu ermitteln. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufblühende Gestaltpsychologie brachte dagegen die Erkenntnis, dass eine Gestalt (auch Tongestalt) nicht ein sekundäres Produkt ist, das im Subjekt aus Wahrnehmungselementen zusammengesetzt wird, sondern daß sie im Erleben primär gegeben ist und aus ihr erst anschließend (nach analytischer Einstellung) Elemente ausgegliedert werden. Diese Tatsache erfordert einen neuen Terminus anstelle von Tonpsychologie. Nach Vorschlag von Albert Wellek (1955) bürgerte sich im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung Gehörpsychologie ein. Die Psychoakustik (Gehörpsychologie) untersucht deren wahrnehmungspsychologischen Voraussetzungen, wobei qualitative und quantitative Probleme zu unterscheiden sind. Diese Unterteilung entspricht auch den Begriffen Perzeption, die sich auf die elementaren akustischen Phänomene konzentriert, und Apperzeption, die die ganzheitliche Wahrnehmung im Blickfeld hat. Inzwischen werden beide Bereiche der Musikpsychologie zugeordnet. (z.B. D. Deutsch 1982) |
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[18] Ideen zu einer "Lehre von den Tonvorstellungen", in: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters, XXI,1914 - XXII,1915 (s.a. in: B. Dopheide, Musikhören, Darmstadt 1975, S.14) XXIII,1916. |
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[19] E. Kurth, Musikpsychologie, Berlin 1930, s. 80 |
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[20] Der Begriff "Kognitive
Musikpsychologie"erscheint im Jahre 1979 bei T.H. Stoffer, Aspekte einer
generativen Syntax zur Beschreibung musikalischer Strukturen für eine
kognitive Musikpsychologie, Bochum 1979, Bericht Nr. 11 Psychologisches
Institut der Ruhr-Universität Bochum, Arbeitseinheit Kognitionspsychologie,
T.H. Stoffer, Parallelen zwischen Ernst Kurths Konzeption der
Musikpsychologie und der gegenwärtigen Entwicklung einer kognitiven
Musikpsychologie, in: Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für
Musikpsychologie (DGM) , Band 2, 1985, 87-99, J.J. Bharucha, Kognitive
Musikpsychologie in: H. Bruhn/R.Oerter/H.Rösing, Musikpsychologie - Ein
Handbuch in Schlüsselbegriffen, München 1985, S.123-132. Weitere Literatur zu diesem Themenbereich: J.
A. Sloboda, The musical mind: The cognitive psychology of music.
Clarendon Press, Zur Kognitiven Psychologie sei als Literatur genannt: J.R. Anderson, Kognitive Psychologie. Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft 1989, MG Wessels; Kognitive Psychologie (3. Aufl.).New York1994 (UTB Große Reihe). Auch im Internet gibt es entsprechende Informationen http://www.musikpsychologie.at/ undwww.codexflores.ch http://www.codexflores.ch/ Onlinemagazin für Musikästhetik und kognitive Musikpsychologie, http://www.incops.de/ ist eine umfangreiches Lernprogramm zur Kognitive Psychologie. |
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[21] K. Poppensieker, Die Entwicklung musikalischer Wahrnehmungsfähigkeit, Mainz 1986 |
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[22] G.A. Miller, The Magic Number Seven, Plus Minus Two: Some Limits on our Capacity for Processing Information, in: Psychologocal Review 63, 81-97, 1956, Dazu ein Zitat aus www.incops.de: "Miller forderte seine Versuchspersonen auf, sich an Ziffernfolgen von der Art 011010011100110100111 zu erinnern. Entsprechend dem, was über die übliche Gedächtnisspanne weiß, konnten die Versuchspersonen nur 7 Ziffern richtig wiederholen. Miller wies zudem nach, wenn sich Individuen an eine größere Zahl von Ziffern erinnern können, wenn sie diese in Gruppen höherer Ordnung oder Klumpen organisieren. In einem Experiment brachte er den Versuchspersonen bei, Gruppen von 3 binären Ziffern in einzelnen Zahlen zu organisieren, wobei folgende Regeln galten: 000=0 001=1 010=2 011=3 100=4 101=5 110=6 111=7 Auf diese Weise konnten die Versuchspersonen die binären Ziffern folgendermaßen in das Dezimalsystem übertragen: Binäres Zahlensystem: 011 | 010 | 011 | 100 | 110 | 100 | 111 Dezimalsystem: 3 2 3 4 6 4 7 Miller argumentierte, daß die Methode der Klumpenbildung erfolgreicher ist, denn sie gestattet den Versuchspersonen, ihre begrenzte Kapazität effizienter einzusetzen. Denn statt der Ziffernfolge "011010011100110100111" mußten sie sich nur die Ziffernfolge "3234647" merken, also nur 7 anstatt der 21 binären Ziffern. Nach der Durchsicht eines großen Teils der einschlägigen Literatur kam er zu der Schlußfolgerung, daß die Kapazität des unmittelbaren Gedächtnisses auf etwa 7 plus minus 2 begrenzt ist. Diese 7 Items können genauso gut individuelle Ziffern oder gut gelernte Klumpen sein, wie Dreiergruppen von Zahlen oder bekannte Wörter, wie "die". Danach führt die Organisation der binären Ziffern nicht zu einem aktuellen Anwachsen der Kapazität des unmittelbaren Gedächtnisses; vielmehr ließ die Organisation der Items die Anzahl der behaltenen Ziffern ansteigen, da die Versuchspersonen gelernt hatten, sich an 7 große Klumpen statt an sieben einzelne Ziffern zu erinnern. Er prägte den Ausdruck "Klumpenbildung" (Chunking) in seinem klassischen Aufsatz "The magical number seven, plus or minus two: Some limits on our capacity for processing information?" ( info) über die Fähigkeit des unmittelbaren Gedächtnisses. Nach der Durchsicht eines großen Teils der einschlägigen Literatur kam sie zu der Schlußfolgerung, daß die Kapazität des unmittelbaren Gedächtnisses auf etwa 7 plus minus 2 begrenzt ist. Bereits Ebbinghaus kam 1985 zu einer Schätzung von 7 Einheiten. Er wurde allerdings von Miller nicht erwähnt oder zitiert. Nach Ebbinghaus (1885) können sieben, aus Konsonant-Vokal-Konsonant-Kombinationen zusammengesetzte "sinnlose" Silben (KVK) nach lediglich einer Darbietung korrekt wiedergeben werden. Bei 12 KVK-Silben gelang dies höchstens noch für wenige Silben: "Man kann fragen: Wie groß ist diejenige Zahl von Silben, welche unmittelbar nach einmaligem Durchlesen derselben gerade noch fehlerlos hergesagt werden kann? Für mich beträgt diese Anzahl ziemlich genau 7 Silben. Es gelingt zwar auch oft, 8 Silben wiederzugeben, aber nur zu Anfang der betreffenden Versuche und im ganzen in der großen Minorität der Fälle. Bei 6 Silben andererseits kommt sozusagen nie ein Fehler vor; bei ihnen ist also ein aufmerksames einmaliges Durchlesen schon zuviel Energieentfaltung für eine unmittelbar darauf folgende Reproduktion. [...] Um Reihen von 6, 5, 4 usw. Silben auswendig hersagen zu können, ist natürlich immer ein einmaliges Durchlesen derselben erforderlich, aber dasselbe braucht (für mich) nicht, wie bei 7 Silben, mit möglichst gespannter Aufmerksamkeit zu geschehen, sondern kann immer flüchtiger sein, um je weniger Silben es sich handelt." (Ebbinghaus 1985, S. 40 f.). über die Anzahl Items hinaus, die nach einmaliger Darbietung korrekt reproduziert werden konnten, benötigte Ebbinghaus für jedes weitere zusätzliche Item etwa 2.4 Wiederholungen zum Erlernen der Liste. Derks (1974) konnte zeigen, daß für serielle Reproduktion die Lernzeit am besten durch eine Potenzfunktion mit dem Exponenten 2.6 der Anzahl zu reproduzierender Items beschrieben werden kann (3)." |
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[23] H.-P. Reinecke, Naturwissenschaftliche Grundlagen der Musikwissenschaft, in: C. Dahlhaus(Hrsg.), Einführung in die systematische Musikwissenschaft, Köln 1975 |
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[24] Miller a.a.O.; Ch. Nauck-Börner, Strukturen des musikalischen Gedächtnisses. Anmerkungen zu formalen Modellen der Repräsentation, in: Musikpsychologie, Jahrbuch der deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie,1988, S.55-66 |
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[25] Bruhn, Oerter & Rösing,
a.a.O. S. 483, 541, 542, J. Abe / E. Hoshino, Schema-driven properties in
melody cognition: Experiments on final-tone extrapolations by musical
experts, in: Japanese Journal of Psychonomic Sciene, 4,1-9, 1985 |
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[26] Ideen zu einer "Lehre von den Tonvorstellungen", in: Jahrbuch der Musikbibliothek Peters, XXI,1914 - XXII,1915 (s.a. in: B. Dopheide, Musikhören, Darmstadt 1975, S.14) XXIII,1916. |
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[27] s.a. Wolfgang Auhagen, Experimentelle Untersuchungen zur auditiven Tonalitätsbestimmung in Melodien, Regensburg, 1994, S. 3 |
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[28] s.a. Auhagen a.a.O., S. 8, 11 bzw.
Eytan Agmon, Music theory as cognitive science: some conceptional and
methodological issues. In: Music Perception 7 (1990), S. 285-308; Chien-Chang Yang, "Music as Knowledge:
Hugo Riemann's Theory of Musical Listening and the Foundation of German
Musikwissenschaft," Ph.D. diss., |
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[29] Fortsetzung des Zitats: "Ohne mir selbst vollständig begrifflich klar zu machen, was ich eigentlich suchte und erstrebte, habe ich in der neuen Harmoniebezifferung (Skizze einer neuen Methode der Harmonielehre, 1880) in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien bis zur Aufstellung der Lehre von den tonalen Funktionen der Harmonie (Vereinfachte Harmonielehre, 1893) und ebenso in der Kenntlichmachung der rhythmischen Elemente der Musik (Phrasierungsbezeichnung) seit den ersten die Frage anschneidenden Aufsätzen im Musikalischen Wochenblatt (1882) bis zur Aufstellung eines Systems der musikalischen Rhythmik und Metrik (1904) ganz allmählich eine Art musikalischer Grammatik entwickelt, welche ähnlich wie eine sprachliche Grammatik in den Begriffen 'Subjekt', 'Prädikat' usw. in den harmonischen Begriffen Tonika, Dominante, Subdominante und den rhythmischen Begriffen 'schwere und leichte Zeit', 'schwerer und leichter Takt', 'Vordersatz, Nachsatz' usw. die Elemente aufweist und handhaben lehrt, über welche die musikalische Logik verfügt, um musikalische Sätze zu bilden." |
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[30] Fortsetzung des Zitats: "Offenbar ist nicht der künstlerisch interesselose Einzelton irgendeines Musikinstruments sondern der Ton als Bestandteil eines musikalischen Kunstwerks das erste Objekt unserer Betrachtung. Es ist aber schnell zu erkennen, daß die Eigenschaften des Einzeltons in beliebigem musikalischen Zusammenhange bei weitem nicht mit der Bestimmung seiner absoluten Tonhöhe erschöpft sind, daß vielmehr eine ganze Reihe verschiedener Kategorien jede ihre sehr bestimmte Definition für den einzelnen Ton bedingen." |
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[31] Z.B. Veröffentlichungen in den europäischen und
amerikanischen Fachzeitschriften für Musikpsychologie (Journal Music Perception, Jahrbuch der
Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie oder H.-P. Reinecke, Experimentelle Beiträge zur Psychologie des
musikalischen Hörens, Hamburg 1964 u.v.a.) |
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[32] Wolfgang Auhagen, Experimentelle Untersuchungen zur auditiven Tonalitätsbestimmung in Melodien, Regensburg, 1994 |
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[33] Auhagen weist in diesem Zusammenhang auf die Arbeit von D.K. Simonton (Melodic structure and note transposition probabilities: a content analysis of 15.618 classical themes, in: Psychologie of music 12,1, S. 3-15 1984) hin, der die thematischen Lexika von H. Barlow und S. Morgenstern, die vornehmlich Werke des 18.-20. Jahrhunderts berücksichtigen, statistisch auswertete. Ähnlich arbeitete R. Kluge (Faktorenanalytische Typenbestimmung an Volksliedmelodien, Beiträge zur musikwissenschaftlichen Forschung in er DDR 6. Leipzig 1974) in Bezug auf Volkslieder. Es wäre zu prüfen, ob aus diesen Arbeiten wissenschaftlich begründete didaktische Konzepte für die Gehörbildung zu den besagten Musikstilen abzuleiten sind. |
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[34] H. Bruhn, Harmonielehre als Grammatik der Musik - Propositionale Schemata in Musik und Sprache. München/Weinheim 1988: Psychologie Verlags Union, S. 209f. |
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[35] Tappert-Süberkrüb, "Music Learning Theory", Edwin Gordons Theorie des Musiklernens, in: Diskussion Musikpädagogik 2/99 |
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[36] H. Gembris, Grundlagen musikalischer Begabung und Entwicklung, 2. Auflage, (1. Auflage 1998) Augsburg 2002 (s.a. Artikel "Musikalität" von Gembris in MGG) |
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[37] s.a. S. Koelsch, Brain and music. A contribution
to the investigation of central auditory processing with a new
electrphysiological approach (Diss. rer. nat. Universität Leipzig). Leipzig
2000, Risse/Max-Planck-Institut für kognitive Neurowissenschaft; S. Koelsch,
, T. Gunter, A.D. Friederici, & |
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[38] Eine von Rauhe et. al. 1975 veröffentlichte Hörertypologie kategorisiert nach Strategien des Musikhörens. Sie unterscheidet dabei zunächst Formen des unbewussten Hörens und solche des bewussten Hörens: Zu den ersteren zählen die Dormen des zerstreuten, motorisch-reflektorischen oder assoziativ-emotionalen Rezipierens zur zweiten Gruppe solche Formen, bei denen empathisches (einfühlendes), strukturelles und subjektorientiertes (zur Selbsterkenntnis führendes) Hören im Vordergrund steht. Eine Synthese bildet der Typus des "integrativen Hörens", der bewusste und unbewusste Hörstrategien einschließt. Aus den 80er Jahren schließlich stammt die bereits erwähnte Typologie von Klaus-Ernst Behne, die "Mainstreamhörer", "Discohörer" und eine Reihe ähnlicher Kategorien unterscheidet. In Hörerumfragen von Rundfunkanstalten werden zumeist Typen unterschieden, die durch konkrete Hörgewohnheiten gekennzeichnet sind, zB. ein volkstümliche Typ (Volksmusik, deutscher Schlager), ein "Rock-Pop-Typ" (angloamerikanische Pop- und Rockmusik), ein Klassik-Typ (Konzertmusik aus Barock, Klassik und Romantik), ein Vielhörer-Typ (U-Musik, "leichte" E-Musik) und ein "progressiver Typ" (Avantgardemusik jeden Stils). Behne meint dazu, "die Beliebtheit solcher in der deutschsprachigen Psychologie besonders häufigen Klassifikationen" hänge "...sicherlich damit zusammen, dass die Zuordnung der beobachtbaren Realität zu einigen wenigen, häufig griffigen Typenbezeichnungen es erlaubt, die komplexe, chaotische Welt in einem vereinfachten, überschaubaren Modell abzubilden und somit dem Benutzer der jeweiligen Typologie die Illusion zu geben, er hätte etwas von der Welt verstanden". Ihr wissenschaftlicher Wert sei also eher fragwürdig. Viele Untersuchungen deuten auf eine hohe Schichtspezifität des musikalischen Geschmacks und musikalischer Präferenzen hin. Besonders eindrucksvolle Beispiele finden sich in bei Pierre BOURDIEU (Les distinctions, 1979; deutsch 1982). Seine Analysen basieren auf einer umfangreichen Erhebung aus den 60er Jahren, in denen der Zusammenhang zwischen sozialer Schichtzugehörigkeit und ästhetischen Urteilstendenzen erhoben wurde. Boudieu behauptet als Ergebnis seiner Untersuchungen, "im Universum der individuellen Geschmacksrichtungen" ließen sich "drei Geschmacksrichtungen unterscheiden, denen wiederum im großen und ganzen drei Bildungsniveaus sowie drei gesellschaftliche Klassen korrespondieren", nämlich: (1) der "legitime Geschmack", der durch eine Vorliebe für musikalische Werke gekennzeichnet ist, die zur Zugehörigkeit einer bestimmten, gehobenen Bildungs- und Sozialschicht legitimieren, (2) den "mittleren Geschmack", der sich eher auf "minderbewertete Werke der legitimen Künste" bezieht, und (3) den "populären Geschmack", der "Werke der sogenannten 'leichten' oder aber durch Verbreitung entwerteten 'ernsten' Musik" bevorzugt. |
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[39] ALT 1935, WELLEK 1939, BESSELER 1959, ADORNO 1962, RAUHE 1971, 1975, BOURDIEU 1979, NAUK-BÖRNER 1980 und BEHNE 1986. (nähere bibliographische Angaben s. www.felbick.de) |
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[40] Ch. Nauck-Börner, Logische Analyse von Hörertypologien und ihrer Anwendung in der Musikpädagogik, Hamburg 1980 |
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[41] Herbert Bruhn in einer Email vom 16.09.2003 an den Verfasser. |
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[42] E. Zwicker, Psychoakustik, Berlin u.a. 1982 |
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[43] Mackamul a.a.O,Bd.1, S.11, Obwohl Mackamul dies fordert, setzt es diese Maxime nicht um, denn er beschränkt seine Literaturauswahl auf das "klassische" Repertoire. |