Vortrag mit Musikbeispielen am 19.12.1999 in der Klangbrücke Aachen
Dieser Text ist ein Vortrags-Manuskript, welches nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Veröffentlichung hat.
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Pauline und Ione
I pray for deep listening in the new century -- listening alone -- listening together -- listening to others -- listening to oneself -- listening to the earth -- listening to the universe -- listening to the abundance that is -- awakening to and feeling sound and silence as all there is -- helping to create an atmosphere of opening for all to be heard, with the understanding that listening is healing. Deep listening in all its variations is infinite. Deep listening is love. Pauline Oliveros in Prayers for a Thousand Years HarperSanFrancisco, April 1999
Pauline Oliveros (*1932) gilt als eine der einflußreichsten Komponistinnen der USA. In den 50er Jahren gehörte sie zu der Gruppe von Komponisten, Künstlern, Schriftstellern u.ä., die sich um John Cage scharten. Die Karriere der international anerkannten amerikanischen Komponistin und Akkordeonistin begann in den frühen 60er Jahren, als sie die erste Direktorin des heutigen Center for Contemporary Music am Mills College in Kalifornien wurde. Danach beeinflußte sie 14 Jahre lang maßgeblich das zeitgenössische Musikprogramm an der Universität von Kalifornien in San Diego. Seit 1981 tritt sie weItweit mit ihren eigenen Kompositionen als Solistin mit der Deep Listening Band auf. Ihre Performances und Kompositionen basieren häufig auf meditativen Übungen. Es ist eine Suche nach akustischem Einklang zwischen innerer Empfindung und äußerer Wahrnehmung, ausgedrückt im Medium der Musik. Sie sucht nach neuen Klängen indem sie auch die alten neu entdeckt. 1985 gründete sie die Pauline Oliveros Foundation, deren Ziel es ist, die weltweite Zusammenarbeit und den kreativen Austausch einer internationalen Künstlergemeinschaft in allen Aspekten des künstlerischen Prozesses zu fördern und kontinuierlich Projekte in ihrer Heimat Kingston, New York zu verwirklichen. Ihre Kompositionen hat sie als Solistin weltweit vorgestellt. 1985 wurde sie mit einer Retrospektive ihres umfassenden künstlerischen Schaffens im J.F. Kennedy Center for Performing Arts in Washington DC geehrt. 1977 erhielt sie den Beethoven-Preis der Stadt Bonn.
John Cage: "Through Pauline Oliveros and Deep Listening I finally know what harmony is... It's about the pleasure of making music."
(John Cage: "Seit Pauline Oliveros und das Deep Listening weiß ich nun, was Harmonie ist.... Es besteht in der Freude, Musik zu machen.")
An dieser Stelle würde man Informationen zu dem Werk der Komponistin erwarten. Das in MusikTexte 76/77 veröffentlichte Werkverzeichnis führt bis zum Jahre 1998 insgesamt 218 Werke auf. Ich möchte aber darauf gar nicht näher eingehen, sondern von meiner persönlichen Begegnung mit Pauline berichten.
Ich hatte Gelegenheit, die Arbeit von Pauline Oliveros im Sommer 1998 und 1999 innerhalb der Deep-Listening Retreats in Mürren, Schweiz, kennenzulernen.
Deep Listening ist ein von Pauline Oliveros gepraegter Begriff, der alle Aspekte des Hörens und der Wahrnehmung in sich einschliesst. "Deep Listening is connecting with the universe of sound and processing what one hears" schreibt sie in der Beschreibung eines ihrer Workshops.
Zusammen mit der Tai Chi Lehrerin Heloise Gold und der Psychotherapeutin und Autorin Ione führte Pauline Oliveros in Mürren eine Woche intensives Hör- und Wahrnehmungstraining durch. Der Ablauf der Woche war einer Woche in New Mexico nicht unähnlich, wo sie diesen Kurs auch schon seit Jahren anbietet. Täglich wurde Tai Chi geübt ,wenn möglich im Freien, wurden die Deep Listening Pieces und die Sonic Meditations von Pauline Oliveros in der Gruppe erfahren, einige Stücke geschrieben und aufgeführt. Es ging darum, die schöpferischen Quellen zu erforschen und zum Fliessen zu bringen.
Der Kurs richtete sich an Menschen, welche sich für sämtliche Aspekte des Hörens interessieren: MusikerInnen und KuenstlerInnen, welche sich für Klangphaenomene und ihre Wirkung auf den Körper interessieren, Meditierende, welche ihre Praxis durch vertieftes Hören erweitern moechten, Lehrerinnen, welche ihre SchülerInnen mit einem veraenderten Blick wahrnehmen möchten, Menschen, die sich für Entspannung, Konzentration, Verbindung mit sich und den andern sowie das Eingebettetsein in die Umwelt interessieren.
Am Ende der Woche hatte ich Gelegenheit, mit Pauline ein Interview zu führen, welches ich Ihnen nun in Auschnitten vorstellen möchte:
CD Klangbeispiel Deep listening 1989 Nr. 2 auf genommen in der Fort Worden Cistern, Port Townsend, Washington, die einen Nachhall von 45 Sekunden hat.
(Vorbemerkung des Übersetzers: Der hier verwendete Ausdruck KLANG beinhaltet alles klingende vom Geräusch über die Sprache bis zu den klingenden Tönen.)
Die Deep Listening Pieces sind aus der Auffassung entstanden, dass der Klang ein großes Hilfsmittel und Werkzeug für das persönliche Wachsen, die Aufmerksamkeit und die emotionale und intelektuelle Entwicklung ist.
Als eine Musikerin bin ich an der sinnlichen Natur des Klanges interessiert. Darin steckt eine große Kraft der Befreiung und der Veränderung. In meinen weltweiten Aufführungen versuche ich, der Zuhörerschaft die Art und Weise zu vermitteln, wie ich den Klang hörend erfahre und spiele in diesem Stil, den ich Deep Listening nenne.
Deep Listening bedeutet auf jede erdenkliche Art auf alles zu lauschen egal was man tut. Dieses intensive Hören schließt den Klang des täglichen Lebens mit ein, den der Natur, den der eigenen Gedanken und den der musikalischen Klänge. Deep Listening ist meine Lebenspraxis.
Deep Listening Pieces sind gedacht für Vokal solo und - Gruppenaufführungen für jeden, der bereit ist, es zu versuchen, sei es dass er eine musikalische Ausbildzung hat oder keine. Der Gehalt dieser Deep Listening Pieces haben teil an dem kreativen Prozeß, in der Kooperation mit anderen und der Auseinandersetzung mit sich selbst mit dem Ziel, weiterzukommen.
Komponiert zwischen 1971 und 1990 gleichzeitig mit den Sonic Meditations sollen diese Stücke Gelegenheiten für ausgebildete und nicht ausgebildete Musiker schaffen, die Kunst des Zuhörens und Antwortens in Solo- und Ensemblesituationen zu trainieren. der Erfahrungsgewinn sollte auf sämtliche Formen der Aufführung anwendbar sein.
Alle Stücke dieses Buches sind Strategieen des Hörens und des Antwortens. So schaffen die Stücke eine Gelegenheit, Verschiedenartigkeiten sowohl in Hinblick auf die Form als die Struktur der Wahrnehmung zu erfahren und zu studieren wie es für Klang und Musik gilt.
Wenn jemand durch Selbsttraining in der Lage ist, flexibel die Aufmerksamkeit mit einem Verständnis für die breite und globale Wahrnehmung und die begrenzte oder fokussierte Wahrnehmung sowohl auf die äußere Welt des Klanges als auch die innere Welt der Imagination und des Gedächtnisses zu richten, dann kann das Hören ein multidimensionales Phänomen sein. Man kann gleichzeitig zuhören und aufführen.
Das folgende Schaubild zeigt die Möglichkeiten:
Globale Wahrnehmung = Aufmerksamkeit auf ein Feld.
fokkussierte Wahrnehmung = Wahrnehmung eines Punktes
Innere - globale/fokussierte Imagination oder Gedächtnis
Äußere - globale/fokussierte Wahrnehmung der Phänomene
Beim Empfangen eines Klanges ist die Wahrnehmung entspannt breitet sich in alle Richtungen aus ohne Festlegung auf einen besonderen Klang. Wenn sich jemand unvoreingenommen auf das ganze Feld des Klanges einstimmt, breitet sich das Feld immer mehr aus. die Festlegung auf einen Klang bewirkt einen fokussierte Wahrnehmung. Jemand hört des Klang sehr deutlich, sei es, dass er zuhört oder den Klang selbst produziert. Währenddessen ist das ganze Feld des Klanges präsent, aber nicht scharf im Mittelpunkt.
Es ist möglich, die Balance zwischen diesen beiden Arten der Wahrnehmung zu finden, der inneren Wlet der Erinnerung und der Imagination und der äußeren Welt der Empfindung.
All or nothing ist eine der deutlichsten Illustration der globalen und fokussierten Wahrnehmung.
Es folgen nun einige Charakteristika dieser Meditation:
Das ganze Feld des Klanges als ein flukturierende Gesalt hören = globale Wahrnehmung
einen Klang auf Zeichen hin ausdrücken= Wahrnehung eines Punktes
Spontan Handeln von einem vorgegebenen Programm übt die Erinnerung und die Imagination
Reaktionszeit, eine Komponente der Wahrnehmung kann gemessen werden und bei späterem probieren verbessert werden.
eine merkliche Empfindung beim Wechsel von der globalen zur fokussierten Wahrnehmung und vice versa.
für weitere Informationen sei auf Software for People, Smith Publikations 1984 hingewiesen.
Achte auf alles, was Du in dem ganzen Feld des Klanges hören kannst, innerlich und aussen. Erweitere Deine Aufmerksamkeit auf das ganze Feld des Klanges indem Du Deine Ohren defokussierst, ähnlich wie wie Du es für mit Deinen Augen machen würdest, wenn Du ein weiterers visuelles Feld sehen möchtest. Nach ein paar Minuten zu einem gegeben Zeichen, wie z.B. einer vorher eingestellten Uhrglocke, drücke ohne jede Vormeditation eine Tonhöhe oder einen Klang aus, den Du genau in diesem Moment während des Zeichens hörst. Deine Reaktion sollte augenblicklich sein, so dass Du Dir bewußt wirst was Du gerade, Millisekunden vorher, mit Deiner Stimme gemacht hast nachdem deiner ganzen oder keinen Reaktion (?) Dann finde Dein Klangfeld wieder und höre weiter zu.
Übersetzung: Lutz Felbick
Ein für den Auftakt der per->SON-Konzerte des Studios Akustische Kunst in Köln produziertes Stück von Pauline Oliveros hieß Ear Piece.
"Grundlage meiner gesamten Arbeit als Komponistin und Performerin ist eine Übung, die ich mir 1957 selbst als Aufgabe gestellt habe, und die ich Deep Listening nenne. 'Höre auf alles, zu jeder Zeit, und wenn Du nicht zuhörst, sei Dir dessen bewußt.' Nachdem ich diese Übung seit nunmehr 41 Jahren praktiziere, lerne ich noch immer etwas über das Zuhören hinzu. Ear Piece ist Teil von Deep Listening und es geht darin um den Unterschied zwischen Hören und Zuhören; dieses drückt sich in Fragen aus, die von mehreren Menschen an verschiedenen Orten in Köln beantwortet wurden. Ich wollte ein Stück über Köln machen - über diese Stadt, über ihre Klänge und die Unterschiedlichkeit der Menschen, die dort leben. Durch Ear Piece wollte ich die Befragten, die Mitarbeiter an dem Stück und die Hörer in einen Vorgang mit einbeziehen, der sich vielleicht noch über das Stück hinaus fortsetzt." (Pauline Oliveros)
EIS (Expanded Instrument System)
CD Klangbeispiel Ghost dance 10
Murren, Switzerland July 4-11, 1999
Unterkunft und Verpflegung ist im Hotel Regina in Muerren. Das Hotel liegt mitten in Muerren und ist ein aelteres, einfaches aber liebevoll von drei Frauen gepflegtes Hotel mit Sicht auf die Berner Alpen. Vegetarische Kost ist moeglich.
Die Kurskosten sind noch nicht definitiv festgelegt. Sie duerften sich jedoch um die 1000.-sfr pro Person bewegen. Inbegriffen sind die Kurskosten, Halbpension im Hotel sowie die Miete der Turnhalle,wo der Kurs stattfinden wird.
Kontaktpersonen fuer den Kurs sind:
Margrit Schenker
mschenker@access.ch
Feilengasse 3
8008 Zuerich
Switzerland
Tel/Fax:+41 1 422 57 58
Hotel Regina email: regina.muerren@swissonline.ch
Von Gunden, Heidi. The Music of Pauline Oliveros. Metuchen, NJ: Scarecrow Press, 1983.
Young, Mary Ellen. Tashi Gomang: Pauline Oliveros: a biography and descriptive catalog of compositions. 2 vol. Ph.D. Thesis, University of Minnesota, 1990.
MusikTexte 76/77